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Aufgefallen
Schulreform ohne Gesellschaftsreform ist ein Unding.
Kurt Tucholsky
Auf dieser Seite u.a.: Beurteilungswesen /
1. Beurteilt werden = eingepfercht werden? Mal seh'n ...
Beurteilt werden wir fast immer und fast überall. Und wenn es nur die schnellen Taxierungen im Alltagsablauf sind. Frage bleibt dann immer: Welche Bedeutung soll man derartigen Fremdeinschätzungen überhaupt einräumen, wie stark ist das jeweilige Selbstbewußtsein, um mit solchen Fremdurteilen gut umgehen zu können. Oder im zumeist idealen Fall: um sie einfach als gänzlich unerheblich zu empfinden.
Natürlich hängt der Wert, den man jenen Beurteilungen (ich schreibe bewußt nicht: diesen) zumißt, erheblich davon ab, wie nahe man den Beurteilern (Beurteilerinnen) kommen mag, wie “eng” man sich an sie fühlen möchte. Man stelle sich nur einmal den Wunsch vor, eine Frau zu begehren zu wollen und deren Urteil fällt völlig vernichtend aus ... Kalt lassen dürfte das allenfalls den Übermacho, nicht wahr? Oder vielleicht gerade den zuallerletzt – je nach Ausprägung der Individualität (sofern überhaupt eine solche vorhanden!). Umgekehrt gilt das natürlich auch für die holde Weiblichkeit.
Es dürfte offensichtlich sein: Das Ego ist schon sehr verletzlich. Aber die Meßlatte für diese Art und Angriffsfläche von Verletzlichkeit hängt man letztlich selbst in die entsprechende Höhe.
Dann sind vor allem jene Beurteilungen, denen man deswegen nicht ausweichen kann, weil man sich in berufliches Umfeld begeben hat, in denen diese Bewertungen einerseits gang und gäbe sind, andererseits aber auch über das weitere berufliche Fortkommen, und damit fast immer über materielle Besserstellung entscheiden.
Im Fall persönlicher Sympathie oder Antipathie werden voll selten überwiegend rationale Kriterien als Beurteilungsgrundlage überwiegen; man mag jemanden oder eben nicht, man findet jemanden anziehend oder eben nicht, man fühlt sich hingezogen oder eben nicht. Und das ist halt so. Muß man entsprechend hinnehmen, damit ist entsprechend umzugehen.
Anders stellt sich die Sachlage dar, wenn es um das berufsbezogene Bewerten geht. Hier sollte (sollte!!) das persönliche Moment gezügelt werden (können). Antipathie und projektives Verhalten (im schlechtesten Fall: Entfaltung von Übertragungsneurosen z.B.) sollten hier gründlich kontrolliert werden. Natürlich ist das (idealistisch orientiertes) Wunschdenken. Denn der Mensch ist halt wie er ist: jedenfalls tut er sich mit dem Bemühen um Objektivität immer schwer, die einen vielleicht etwas weniger, dafür andere umso mehr.
So sollten zumindest (weitgehend) objektivierbare und (von außen, also von Dritten) einfach überprüfbare Instrumentarien institutionalisiert werden, um allzu großen Spielraum für (auf die Sache bezogene falsche und unangemessene) Subjektivität zu vermeiden.
Beispiel: Beurteilung von Lehrkräften an Hauptschulen (neuerdings: Mittelschulen) in Bayern. So hat man vor einigen Jahren die Beurteilung von Hauptschullehrkräften (Pardon: Mittelschullehrkräften) den Schulämtern übertragen. Also jenen Institutionen, über deren Abschaffung vor nicht allzu langer Zeit nicht nur aus Kostenüberlegungen heftig diskutiert worden war. Daß deren Stelleninhaber über einen möglichen Federstrich der Beseitigung von Pfründen nicht begeistert waren, ist leicht nachvollziehbar. Und der Kelch ging ja auch an ihnen vorüber. Schnell besann man sich, wie man die eigene Wichtigkeit, die eigene Unverzichtbarkeit festigen kann. Und man wurde fündig. Da waren sie nun wie der Phönix aus der Asche auferstanden: unersetzliche Berater für den schwierigen Schulalltag der Lehrkräfte, die Experten der Innovationsmaschinerie, der Freund und Helfer in guten und schlechten Tagen, die Erfinder immer wieder neuer Sensationen und vorgeblicher Allheilmittel (Module, Projekte, Fortbildungseuphorien – die zumeist, wie auch große Teile der anderen Amts-Geburten, auf keine große Begeisterung bei den Zielgruppen stießen ...). Ja, und unter diese Errungenschaften binnenamtstätiger Phantasie gesellte man – eben – : das Beurteilungswesen.
Den Beurteilten weitgehend fremd, zumindest jedoch nicht nur räumlich sehr fern, glaubt man gleichwohl hier mit gerecht werdenden Maßstäben arbeiten zu können. Man verwechselt wohl auch Distanz mit Objektivität. Distanz kann allenfalls eine notwendige Bedingung für objektives Verhalten sein, nie und nimmer jedoch eine hinreichende. Und: auf die Qualität der Distanz kommt es natürlich besonders an. Wenn Distanz vorwiegend Entfernung von der Sache selbst, fehlende Nähe zur Problematik, Abgehobenheit vom Alltäglichen bedeutet, dann dürfte eine solche Distanz wohl kaum auch nur annähernd dem entsprechen, was ich oben als eine notwendige Bedingung genannt habe.
Man mag einwenden, daß jene Damen und Herren doch selbst einmal unterrichtet haben. Das stimmt. Aber sie haben sich, aus welchen Gründen auch immer, diesem Unterrichtsalltag und dieser praktischen Erziehungsaufgabe entzogen – vor allem gilt aber auch: die Zeit hat auch vor jenen “Nestflüchtern” nicht halt gemacht, die Entwicklung ist fortgeschritten, die Verhältnisse haben sich geändert, auf die gegenwärtige pädagogische Arbeit bezogen darf man mit Fug und Recht feststellen: alles ist viel, viel schwieriger und schwerer geworden.
Selbst mit einem Wust von theoretischen Vorgaben im Kopfe wird man da nicht hilfreich tätig sein können. Und wenn Lehrkräfte etwas wirklich brauchen, dann ist es eben Hilfe bei ihrer Arbeit, also massive Unterstützung – vor allem auch gegen jene, die den Lehr- und Lernalltag tagtäglich mit den unterschiedlichsten Marotten beeinträchtigen.
Aber: man wollte die Schulleitungen entlasten (so die m.E. ideologisch sehr verkleidete Begründung, man wollte, sei es angeblich oder tatsächlich, mögliche Interrollenkonflikte ausschalten, man wollte ... Ja was denn eigentlich?! Mit Sicherheit: nicht den Eindruck erwecken, die Schulämter sind weitgehend oder völlig überflüssig und kosten den Steuerzahler nur sinnloses Geld. Also schnell her mit einem Aufgabenpaket. Und das hat ja letztlich auch funktioniert. Eingespart wurde nichts (abgesehen von den Leuten an der wirklichen Basis, wo es gerade deplaziert und kontraproduktiv ist!), im Gegenteil: es finden sich nun weitere Möglichkeiten, die eine ohnehin knapp bemessene Zeit des Lehrpersonals in einem häufig sehr fragwürdigen Input-Output-Verhältnis weiter beschneiden, ohne daß es für die Praxis von (großem) Sinn ist.
Zur guten Beurteilung gehört natürlich, daß man die Pflicht zur Weiterbildung jeweils erfüllt hat. Kurz: Wer sich nicht entsprechend weiterbildet, der hat keine Chance auf eine entsprechend gute Bewertung. Dagegen wäre nichts zu sagen, blieben die angeordneten Fortbildungsmaßnahmen nicht oft hinter den rhetorisch-bombastischen Ankündigungen weit zurück. Es ist übrigens auch schon aufgefallen, daß gerade dann einschlägige Aktivitäten besonders lautstark und heftig betrieben wurden, wenn bald danach eigene Aufstiegsambitionen des Initiators oder der Initiatorin wie ein Menetekel deutlich wurden.
Und wie schaut es tatsächlich mit der Pflicht zur Weiterbildung aus? (Die allermeisten Menschen bilden sich bei entsprechenden Herausforderung sicherlich freiwillig weiter, denn wer möchte schon als Volltrottel oder wie der Ochse am Berg vor denen stehen, die er oder sie zu unterrichten hat ...)
Einerseits hat der Dienstherr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für Fortbildungsmöglichkeiten zu sorgen, also diese zu ermöglichen, zu unterstützen, andererseits hat die Lehrkraft eine Pflicht zur Fortbildung. Diese wird in einer kultusministeriellen Bekanntmachung konkretisiert: zwölf Fortbildungstage beziehungsweise 60 Stunden zu je 60 Minuten innerhalb von vier Jahren, dann ist diese Pflicht erfüllt. Mindestens ein Drittel davon ist als Schulinterne Lehrerfortbildung (im Zeichen des weitverbreiteten Abkürzungswahns: SchiLF) zu absolvieren. Macht nach Adam Riese dann mindestens 20 Vollstunden an – SchiLF. Absprache und Besprechungen sind Aufgabe der Lehrerkonferenz, deren Beschlüsse sind dann Empfehlungen. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an derartigen Fortbildungsveranstaltungen kann “unter besonderen Umständen” vom Dienstvorgesetzten angeordnet werden; in der Regel ist für die Fortbildung “alleinige Verantwortung der Lehrkraft” – sie hat diese dann gegebenenfalls entsprechend nachzuweisen.
Man kann darüber streiten, ob es in der heutigen Zeit wirklich genügt, innerhalb von vier Jahren als Minimalforderung sich “nur” wie dargelegt engagieren zu müssen.
Nicht darüber jedoch läßt sich streiten, daß jede einzelne Minute von überflüssiger, schlechter, an Aktionismus orientierter, mit Schaumschlägereiodem behafteter Fortbildung sinnlos, also eine Zumutung darstellt.
Wer legt nun fest, was die einzelne Lehrkraft an Fortbildung braucht? Wer kann das eigentlich sachlich angemessen und dem Bedürfnis der einzelnen Lehrkraft gegenüber gerecht werdend beurteilen? Die Damen und Herren eines Schulamtes? Gar die Herren in der fernen Regierung oder in dem noch ferneren Ministerium? Oder vielleicht doch: ja, Sie ahnen meine Frage bereits, die Damen und Herren direkt vor Ort? Na denn, wählen Sie selbst, finden Sie selbst Ihre eigene Antwort.
Wenn etwas qualitativ hochwertig ist, dann findet das auch ohne Zwang, ohne Direktive, ohne Gängelung die entsprechenden Interessenten! Ich kenne das aus meiner Zeit in diesem Beruf: Ich hatte mich neben der Arbeit fortwährend fortgebildet (bis hin zu universitärer Begleitung) und mußte dann ab und zu erleben (ab und zu deshalb nur, weil ich mich dem Zwang auf sinnlose Berieselung recht gut zu entziehen verstand ...), wie sinnlos Zeit verbraten werden kann, wie merkwürdig etwas als Qualität verkauft werden sollte wie Sauerbier, wie endlos unwichtig und für die Praxis untauglich das Dargebotene war. Natürlich habe ich auch andere Fortbildungen erlebt, die diesen Namen dann auch verdienten. Jedenfalls sollte Fortbildung nie und nimmer auch nur im Ansatz überwiegend die Nähe zu Ver-Bildung und Überflüssigkeit haben dürfen.
Eine kleine Einlassung erlaube ich mir hier nun doch einmal: In jungen Jahren, als Gymnasiast, war an meine Schule eine ganze Woche lang eine Art Fortbildung (freilich nannte man das da anders – dem religiös orientierten Rahmen gemäß) angeboten. Wann? Nachmittags. Also in der Zeit, in der wir gerne in dem Städtchen nach den Mädchen schauten oder sonstige schöne Dinge anstrebten. Auch war mir damals schon klar, daß ich bei der nächstbesten Gelegenheit aus der katholischen Kirche austreten würde. Kurz: mein Interesse an dem, was Religion in der Schule und in der Alltagspraxis ausmachte, hatte sich längst dem absoluten Nullpunkt genähert.
Religiöse Thematik also, dann am Nachmittag, in der schönen freien Zeit? Für mich? Nie und nimmer! Das stand für mich schnell fest, fühlte mich davon auch überhaupt nicht angesprochen. Nicht einmal gegängelt. Kein bißchen schlechtes Gewissen bei Nichtteilnahme.
Allerdings war ich natürlich Teil einer für mich sehr wichtigen Peergroup (Wer war und ist das während der Entwicklung denn nicht!?!) und ein befreundeter Mitschüler, dessen Urteil mir stets sehr wichtig war, auch wenn ich seiner doch recht starken Kirchenorientierung nichts abgewinnen konnte, bat mich, doch “wenigstens einmal mitzugehen”. Um es kurz zu machen, trotz schönsten Sonnenscheins, trotz der schönen Aussichten auf Mädchen an den Kinoarkaden, willigte ich ein. Die Veranstaltung leitete seinerzeit ein Jesuitenpater, Alfonso Pereira. Und der machte es so gut und interessant, daß ich die ganze Woche damals dann “am Ball blieb”... Ganz freiwillig (ein Peergruppenzwang bestand auch nicht, denn ich war neben dem Kirchenfreund der einzige aus dieser Gruppe, der teilnahm ...). So kann es also gehen, wenn Gutes geboten wird.
Dieses Prinzip kennen wir doch alle: sei es von der Freizeit, von Kultur, vom Sport, von Parties, von Büchern, von Musik, von, von, von ...
Ja, wie schön es doch wäre, wenn schulbezogene Fortbildung auch viel häufiger “nur” diesen Sog ausüben könnten und müßten, um Adressaten zu fesseln, nicht wahr?
Am Rande bemerkt: Achten Sie doch einmal auf die vielen Euphemismen, mit denen diese doch recht häufigen Plattheiten bei Fortbildungen garniert werden. Zumindest wird es versucht. Bei einigen Teilnehmern klappt das ja auch, die sind eben leicht zu begeistern – oder aber: nicht hinreichend im praktischen Geschehen angekommen, also auch nicht sachbezogen auf der notwendigen Höhe. Bei jenen mag dann ja diese Art von Fortbildung tatsächlich auch notwendig sein. Aber das sollen bitteschön auch jene dann beurteilen. Defizite einer Minderheit dürfen niemals zum Maßstab der Dinge gemacht werden. Wie heißt es bei Schülerinnen und Schülern dann immer so schön: Individualisierung, Kultivieren der inselhaften Begabung. Wohl bekomm’s! Aber eben nur jenen, denen es gebührt... Und alle anderen dann: doch bitte unbehelligt lassen respektive etwas bieten, wo jene dann auch wirklich gerne und konstruktiv zugreifen können.
Und weil ich gerade so schön (oder unschön) zumindest implizit an Aktionismen mäkele, soll es doch sogleich auch ein stellvertretendes Anschauungsmaterial geben, sozusagen ein pars pro toto:
Es hat sich viel getan. Ganz gescheite Leute saßen nämlich zusammen und haben die alten Beurteilungsrichtlinien überarbeitet (sicherlich – wie gewohnt – entsprechend: kritisch ...) und – man ahnt es kaum – neue Beurteilungsrichtlinien kreiert. Künftig müssen wieder alle Lehrkräfte unabhängig ihres Alters beurteilt werden, die frühere Möglichkeit einer Antragstellung auf Nichtbeurteilung wurde wieder abgeschafft. Potzblitz, da leuchten die Augen. Man hat auch die Vordrucke für die dienstliche Beurteilung stark vereinfacht: die Einzelmerkmale müssen nicht mehr verbal beschrieben werden. Grund hierfür war neben einer “deutlichen” Vereinfachung für die Beurteiler, daß dadurch “Auseinandersetzung wegen einzelner Formulierungen vermieden” werden. Und wenn wir schon bei Formulierungen sind – jetzt kommt die Sensation: Die Bezeichnungen für zwei von den sieben Beurteilungsstufen wurden nämlich (euphorisch möchte man ausrufen: Endlich! Es lebe das Genius!) geändert. Darauf hat die Welt gewartet! Was lange währt, wird endlich gut.
Stellen Sie sich doch vor: Bisher hieß es in der vierten Stufe “Leistung, die den Anforderungen insgesamt entspricht” (Ja, die Anhänger der Abkürzungsitis kommen hier mitnichten zu kurz: EN wird dieses Stufe in Kurzform geadelt.); nun aber “Leistung, die den Anforderungen voll entspricht.” (Damit dann korrespondierend die weitere Korrektur, ach, Sie ahnen es ja schon wieder: VE)
Wenn das nicht Fortschritt ist!
Ihnen reicht es immer noch nicht? Dem kann ich abhelfen. Schauen Sie doch einfach einmal auf die fünfte Stufe ... Wie wurde man bislang dort etikettiert? Mit einem “Leistung, die die Anforderung im Wesentlichen erfüllt” (WE). Da mußte aber doch der Änderungsgeist tätig werden und Neues schaffen: “Leistung, die die Anforderungen in hohem Maße erfüllt.” Und jetzt Ihre ureigene Denksportaufgabe, ähnlich der, wie ein bekannter fränkischer Kabarettist eine Denksportsendung niedersten Niveaus karikierte, nämlich Hühnerprodukt mit zwei Buchstaben (sein Kommentar: gell, ganz schön schwierig!) – ja, auch hier bedarf es nun zweier Buchstaben! Doch welche zwei? Na! Na? Haben Sie’s. Was? HM! Richtig, Bravo, Sie kennen sich in dem Metier nun schon ganz gut aus ...
Spaß beiseite (sofern man da überhaupt noch Spaß haben kann), was wurde denn DA gedacht, warum diese Neuerung, oder wenn dies mit Grund, warum dann jemals die alte Formulierung. Ist irgendwann zu wenig gedacht worden? Oder gar überhaupt nicht?
Als alter (auch in Jahren, zugegeben) Statistiker möchte ich jene Kreativen doch einmal erinnern: die sieben Stufen sind eine Rangordnung. Eine Rangordnung!!! Also so wie beim schönen Eislauf die Notenvergabe. So wie übrigens auch alle Schulnoten, die mit den jeweiligen Ziffern ein Intervall abdecken und somit dürfte da nie und nimmer mit dem arithmetischen Mittel operiert werden (Aber wie heißt es da in den Herrschaftsetagen wohl? – “Das machen wir aber trotzdem so, das haben wir schon immer so gemacht. Das machen alles so.” Alle? Wirklich? Oder nur die Nichtwissenden, die Ignoranten?) – aber das wäre ein weiteres Feld, das wir heute und hier nicht beackern wollen und werden, auch wenn es ebenso aufschlußreich für viele Rechthabereien wäre ...
Also nochmals: es sind Rangnoten. Und jeder weiß, daß die fünfte Stufe nur mehr zwei Stufen vor der allerschlechtesten rangiert. Wie man dieses Kind dann auch benennen mag, durch den Namen allein wird es halt nicht schöner! So wie im richtigen Leben eben auch. Und ganz nebenbei bemerkt, wie war doch die Begründung für die Beseitigung der verbalen Beschreibung. Ach ja richtig, man will auf diese Art Auseinandersetzung wegen Formulierungen vermeiden. Könnte es sein, daß die dünne Luft, die man durch die hintere Türe entweichen läßt, hier wieder durch die breite Vordertüre auf rotem Teppich einmaschiert?
Und wie schaut es denn mit der Entlastung der Schulleitungen tatsächlich aus? Die Beurteilungen werden durch das Staatliche Schulamt erstellt – auf Vorschlag der Schulleitungen. Und hier hat auch der Innovationsteufel zugeschlagen: Neu ist nämlich, daß die unmittelbaren Vorgesetzten auf dem Beurteilungsvordruck ausdrücklich ihr Einverständnis mit dem Urteil des Schulamts (natürlich das Amt in Vertretung von Fleisch und Würde!) erklären müssen beziehungsweise bei abweichender Meinung diese in einem eigenen Feld erläutern können.
Wird das wirklich so praktiziert, dann dürfte von Entlastung der Schulleitungen wohl kaum zu reden sein; wird es “lockerer” gehandhabt, dann ist die Nähe zur Ungerechtigkeit wohl schnell auszumachen. Warum überhaupt diese Federführung durch entfernte Stelle?! Ach so, jene Vertreter können sich “nach pflichtgemäßen Ermessen durch Unterrichtsbesuche eine Überzeugung hinsichtlich der von der Schulleiterin beziehungsweise dem Schulleiter vorgeschlagenen Beurteilung verschaffen.” Na denn, in der Mathematik würden wir nun nach Abschluß einer Beweisführung zu schreiben haben: quod erat demonstrandum ....
Noch etwas Trost gefällig? Auch damit kann geliefert werden: Der Stufenaufstieg erfolgt nicht mehr automatisch (grundsätzlich gut so, wie ich finde, aber gleichwohl bleibt die Frage nach der gerechten Praktikabilität unbeantwortet!), sondern wird ausdrücklich in der Beurteilung bestätigt, sofern dies auch bestätigbar ist. Kein Trost? Nur Geduld. Es geht ja noch weiter: Ein “Stufenstopp”, also ein Nichtaufstieg, ist nur dann zu befürchten, wenn die Mindestanforderungen nicht erfüllt werden, wenn also die Lehrkraft nicht in allen Einzelmerkmalen der fachlichen Leistung mindestens die sechste Stufe der Bewertungsstufe (und damit es vollständig wird: MA! – hat selbstverständlich nix mit dem gleichbezeichneten akademischen Grad zu tun.) zugeschrieben bekommen hat.
Und was soll nun so ein wie auch immer Beurteilter ernst oder gar tragisch nehmen? Der Blick auf systemimmanente Zwänge und Mängel könnten bei der Attribuierung schon recht hilfreich sein. Dann bleibt immer noch die Frage: Will ich etwas werden oder bin ich mir nicht selbst jetzt schon genug? Will ich unbedingt überall an vorderster Front stehen (also: selbst dort wo es mehr als unattraktiv in mehrfacher Hinsicht ist)? Muß ich das Spiel der Euphemismusregatta, also das Gebläse großer Wörter eigentlich mitspielen? Wo beginnt eigentlich meine private Sphäre, die es neben dem Gelderwerb bekanntlich ja auch noch geben soll? Wie grenze ich mich ab. Und sollte man gar Dinge subjektiv als Einfalt, Blindheit oder gar Dummheit empfinden, dann rate ich persönlich, wenn man schon nicht gänzlich diese Erscheinungen (ver-)meiden kann, zum Slalomlauf durch die Wirrnisse, bei den Stangen jedoch stets vorsichtig und wachsam, aber auch hart am Holz. Und wer das alles nicht vermag, dem mag der von Wilhelm Genazino in einem seiner phantastisch guten Romane einem Hauptakteur aufgefallene Sinnspruch zumindest als Stoßseufzer etwas Trost (schon wieder: Trost!) geben: “Wer bewahrt uns vor der Selbstbegeisterung der Dummheit.” Aber: Dummheit ist bekanntlich immer und überall, also nicht zu viel an sinnloser Hoffnung und entsprechender Kraftvergeudung ...
Und jetzt begeben wir uns doch wieder selbst zurück in die Bewertungsmaschinerie und bewerten weiter und weiter, andere, vor allem andere, doch auch ein wenig: uns selbst. Den Anfang hatten wir ja bereits schon wieder gemacht, ehe diese Zeilen zu Ende geschrieben waren...
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