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Anmerkungen zu Politik
"Eine Regierung ist nicht der Ausdruck des Volkswillens, sondern der Ausdruck dessen, was ein Volk erträgt."
Kurt Tucholsky
Auf dieser Seite u.a.: Griechenland, eine Tragödie? / Anständigkeit, Sitte, Moral -- Ansprüche an Führungspersonen / Aussagen zu Land und Kultur / Ein trauriges Ende -- und wer wagt hier zu richten ...
1 Eine Griechische Tragödie?
Wer – wie ich – jahrzehntelang nach Griechenland in den Urlaub gefahren ist, wer dieses Land aus dem Blickwinkel der “nahen” Begegnungen (und nicht aus relativer Abgeschiedenheit von Tourismusorganisation-“Aktivitäten” kennen und auch lieben gelernt hat, der (oder die) wird zwangsläufig wohl ein differenzierteres Bild als nur die üblichen Klagen über die dortige Verhältnissse entwickeln müssen.
Richtig ist zweifelsohne, daß Griechenlands Wirtschaft weitgehend darniederliegt, im Euroraum kaum oder gar nicht konkurrenzfähig ist, daß die Schuldenlast fast unvorstellbar auf alle drückt, daß gerade wegen der Mitgliedschaft im Euroverbund für die Mehrheit der dortigen Bevölkerung eine Austerität zu erwarten ist, die das Alltagsleben der Griechen, mit denen der (nicht verwaltetete und nicht durchorganisierte, nicht überwiegend fremdbestimmte) Tourist in all den Jahren vertraut wurde, zwangsläufig so verändern wird, daß von dem, was eben jener Tourist so geschätzt hat, wohl nicht mehr viel übrig bleiben wird.
Es sind gerade die Dinge, welche uns “schaffenstüchtige”, nach meßbaren Erfolgen (= Ausweis durch Geldanhäufung) strebende, von erwarteter und von außen vorgegebener “Arbeits- und Lebensgestaltungsdisziplin” so sehr gefehlt haben, daß wir sie zumindest in Teilen unseres eigenen Jahresablaufs dort suchten (und sehr oft fanden), wo es das eben noch gab: Langsamkeit, Gemütlichkeit (die aus tiefem Inneren kommt und sich wohltuend von einigen unserer “Gemütlichkeitsformen” wie oberflächliche Karnevalslustigkeit, seichte Bierzeltmentalität, durchgespielte Vereinsmeiereien, gefrorene Fröhlichkeitsformen, Starrheit in der Organisation von Freizeit und Arbeit, etc. abhebt), eine gewisse Form von Gleichgültigkeit fremden Zwängen gegenüber, lebendige Landschaften (zumindest dort, wo sie nicht von touristischen Zweckgebäuden entfremdet und zersiedelt wird), eine gewisse Form von Wildnis und Endlosigkeit – und dies sind nur ein paar Aspekte dessen, was jene Leute suchen, empfinden und für eine Auszeit erleben können, die sich tatsächlich auf das, was ist, und nicht auf das, was nach projektivem Verständnis teutonischer Ordnungsvorstellung eigentlich zu sein hätte ... – als auch diese angenehme Mischung aus durch Individualität getragener Distanz und Nähe dem Fremden, dem Gast gegenüber.
Kurz: viele der Dinge, die wir an Griechenland und an den Griechen bewunderten, schätzten, liebten, standen und stehen im krassen Verhältnis zu dem Ergebnis, was wir unter Wettbewerb, Wirtschaftsunterordnung, Ordnung und Taktung verstehen. Der Maßstab unserer Sichtweise der Dinge ist eben nicht “griechisch”, lebt eben nicht in und von Gegebenheit und Machbarkeit, vor allem Notwendigkeit der anderen Art.
Fast schon banal: Deutsch ist eben nicht Griechisch. Und die Frage bleibt nun: Soll man diese Unterschiede einebnen (dann natürlich gemäß der Vorstellung mittel- und nordeuropäischer Ordnungsprämissen ...) und somit unser “altes” Griechenland auf nicht wiederzuerkennende Art und Weise verändern, oder wäre es besser, dieses doch in einigen Bereichen sehr wertvolle Anderssein (und allzu unerträglich anders ist es ja auch wieder nicht, nicht wahr!?) in Duldsamkeit (auch für sich selbst!) erhalten?
Natürlich wollen wir auch nicht uns gewiß seltsam anmutende Besonderheiten mit ihrem mehr oder weniger großen Verbreitungsgrad bei unseren Überlegungen verdrängen: beispielsweise ostentative Untätigkeit in Fällen wo schnelle Unterstützung und Lösung notwendig (gewesen) wäre (vor allem in Bereichen von Behörden, Infrastruktur, Planung), “Flexibilität” zum Beispiel bei Zimmervergabe (also sobald die Buchung gesichert ist, wird nicht selten ein weniger attraktives Zimmer reserviert und die schöneren dann für Ad-hoc-Vergabe vorgehalten, wie überhaupt ein gewisses Maß an “Unorthodoxie” sehr wohl den Umgang einiger Griechen mit dem Touristen “auszeichnen”. So kann es sehr wohl sein, daß ein Boottransfer ohne Rückkehr zum Ausgangsort eben deshalb nicht möglich ist, weil das Boot nur für touristische Rundfahrten “benützt werden darf”, dies wird dann auch von der “zum Beweis” herbeigerufenen Hafenpolizei bestätigt; gibt man sich daraufhin nicht interessiert, weigert sich vor allem den Preis für eine nicht beanspruchte Rundreise zu bezahlen, gibt sich also “gleichgültig”, verweist auf andere Möglichkeiten wie Bus etc., setzt sich auf eine Bank am Hafenbecken, dann kann es sehr wohl passieren, daß kurz vor Abfahrt des Bootes plötzlich derselbe “Bestimmungssachwalter” ungefragt auf einen zukommt und nun wird das möglich, was kurz zuvor noch als Unmöglichkeit in augenscheinlicher statischer Unbeweglichkeit behauptet worden war – die einfache Fahrt zu eben einem entsprechend einfachen Preis.
Ja, in vielen Bereichen kann einem der Grieche (bzw. die Griechin) sehr wohl als unzuverlässig, unberechenbar erscheinen oder tatsächlich auch so gegenüber treten. Auch als jemand, der ein übergroßes Maß an Anstrengungsbereitschaft und Einsatz durchaus bisweilen scheut.
Aber damit kann man umgehen, wenn man “die Regeln” kennt. Unter dem Strich bleibt fast immer: das Liebenswerte, das Lebenswerte, das Angenehme. Und wollen wir doch nicht vergessen: auch bei uns herrscht das Relative fast irgendwie immer und überall ... Also ist weniger Beckmesserei auf unserer Seite durchaus angebracht, nicht wahr?
Wir stehen also letztlich vor der Frage: Ist Unterstützung stets “hinausgeworfenes” Geld, ist es legitim (ich meine natürlich, es ist es nicht!), sich mit temporär angelegten Spekulationen zu bereichern, um dann am Ende, wenn es eben nicht so ganz nach der kapitalistischen Pfeife läuft, zu jammern, wie man (finanziell zumindest) enttäuscht worden ist.
Also auch die Frage: Ist man wirklich enttäuscht worden, oder hat man sich um des kurzzeitigen schnöden Vorteils Willen nicht gerne täuschen lassen, auch im Wissen, daß im Falle eines Falles durch Pfeifen im Walde und Fingerzeig auf andere (Motto: Haltet den Dieb ...), vor allem aber durch strategisch geschicktes Wehklagen man seine (rein kapitalistisch orientierten) Schäfchen schon wieder ins Trockene zu bringen weiß?
Also letztlich ebenfalls die Frage: Welche Lebensform können wir neben der unseren dulden, um nicht fortwährend quasi durch Spiegelung selbst in Frage gestellt zu werden, eben zu verhindern, daß gewinnorientierte Verhaltensmaximierung durch andere Gestaltungsformen deutlich und sichtbar hinterfragbar bleiben?
Also für diejenigen, denen ein möglichst eigenständig gestaltbares Leben, so frei wie möglich von Zwängen und Durchorganisiertsein, mitgetragen von gesunder Form der Langsamkeit und der Absage an Wettbewerb um jeden Preis und auf jedem Feld (bis hinein in die faktische Fremdbestimmung durch Freizeitindustrie und Mehrwerterzeuger), wichtig ist, sollte die gegenwärtige Entwicklung in Griechenland weniger ein Stück für Rechthaberei und Besserwissertum liefern, sondern vielmehr das Denken um Entschleunigung der eigenen Daseinsgestaltung anregen. Eben nach dem Grundsatz: Weniger ist mehr.
Fazit: Was heute an Griechenland beklagt wird, was viele von uns den Griechen heute vorwerfen, ist Ausfluss genau dessen, was einen dieses Land und diese Menschen (früher) als so anziehend und (für wertvolle Auszeit vom eigenen Arbeitsdasein) wohltuend erleben ließen. Und ich denke, dieser Aspekt kommt in der ganzen Griechenlanddebatte viel zu kurz – interessengeleitet wohl aus guten Gründen nach dem (verschleierten) Motto, es lebe die Ideologie des vorgeblich Besseren ...
Aber genau dieser Gedanke spricht zusätzlich eher für einen getrennten als für einen gemeinsamen Weg, nicht wahr?!
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Nun hat sich bis heute (13. Juli 2012) leider noch nicht viel hinsichtlich "Vertrauen in Griechenland gewinnen können" geändert, wohl auch nicht ändern können. Von den gesetzten Auflagen hat Griechenland nur einen recht geringen Teil umgesetzt (lt. ARD und ZDF Nachrichten wurden von 300 geforderten Auflagen 210 bislang immer noch nicht umgesetzt!) , die griechische Regierung beharrt auf einer Verlängerung der Zeit (vorerst einmal: 2 Jahre) für die Umsetzung der Sparziele, will zudem weniger sparen, hat immer noch viel zu viele Staatsdiener in Lohn (freigewordene Stellen wurden entgegen der Notwendigkeit und Verpflichtungserklärung da zu sparen laut dem griechischen Nachrichtenmagazin "To Vima" in den letzten zwei Jahren 70 000 Neueinstellungen vorgenommen und die Zahl der Staatsdiener sei mit nahezu 692000 nahezu gleich geblieben), u.a.m.
Es ist für aufmerksame und kritische Menschen längst einzusehen gewesen, daß Griechenland mit den Geldern anderer Länder recht sorglos umzugehen scheint! Auf Deutschland kämen bei der Fortführung des gegenwärtigen griechischen Weges beispielsweise Mehrbelastungen in Milliardenhöhe zu!
Die Griechen scheinen sich einer üblichen mitteleuropäischen Haushalts- und Gestaltungsdisziplin nicht anpassen und unterordnen zu wollen. Das ist natürlich ihr gutes Recht. Wie von mir oben angesprochen, bedeutete eine radikale Umstrukturierung zugleich eine erhebliche und umfangreiche Aufgabe gegenwärtiger griechischer Identität und Mentalität. Sollen sie eben das tun, was sie für wollen und für sich für richtig halten! ABER NICHT AUF KOSTEN ANDERER LÄNDER, deren Bevölkerung sorgfältiger mit realen Gegebenheiten umzugehen versteht.
Man hat mit Griechenland viel zu viel Geduld geübt, eine Geduld, die einerseits die Kosten abundant in die Höhe getrieben hat, die andererseits seitens griechischer Politiker nicht ernsthaft und verantwortungsvoll gewürdigt wurde und wird. Dieses Griechenland ist völlig pleite, weigert sich beharrlich daraus wirklich wirksame Konsequenzen zu ziehen (außer der, die Hand weiter aufzuhalten, dies im Vertrauen, daß Gutmenschentum und Europatümelei sowie Realitätsferne vieler Mächtigen und Gestaltungsträger in den anderen Ländern die Augen weiter davor verschließen und den Geldsäckel offen halten), wirklich zielführende und in der Wirkung auch nennenswerte Maßnahmen zur Kostenminderung sind immer noch nicht auszumachen. Das Zahlen von Steuern ist für viele Griechen immer noch ein Fremdwort. Griechenland -- das ist mittlerweile mein Fazit -- erpresst Europa, und die zahlungskräftigeren Länder sind dumm genug, dieses Spiel zu ertragen und fortzuführen.
Das Verhalten Griechenland erinnert mich schon sehr stark an das Verhalten einer Geschiedenen, die sich nach Scheidung durch Winkelzüge finanziell schadlos hält und mit immer neuen Behauptungen sowie Versprechungen Täuschungsmanöver generiert. Da sich auch bei anderen Südländern eine ähnliche Mentalität abzeichnet, dies natürlich mit den entsprechenden Folgen durch fragwürdiges, zumindest schlecht wettbewerbsfähiges Wirtschaften für die Zahlungsbilanzen, kann man es abwarten, bis auch die (noch relativ) solventen Länder in diesen Abwärtsstrudel gerissen werden. (Beim Begriff der Zahlungskraft sollte man jedoch stets auch den dahinter liegenden riesigen Schuldenberg, wie z.B. in Deutschland, beim Aufstellen einer Bilanz im Auge behalten ...)
Nein, so wie die Dinge nun leider einmal liegen: Griechenland muß raus aus der Eurozone, soll zurück zur Drachme und die Griechen sollen dann weiter so leben, wirtschaften und gestalten, wie sie es eben für sich für angemessen und richtig halten.
Fleiß muß sich wieder lohnen, hat es hierzulande einmal immer wieder geheißen (vor allem seitens der FDP). Richtig. Aber das Gegenteil von Fleiß (d.i. in der Regel dann eben weniger Fleiß bis hin zur: Faulheit) darf nicht durch Unterstützungszahlungen der Schaffenden auch noch belohnt, gefördert, fortgeschrieben werden. Wer zahlt, schafft an! -- so heißt es doch immer wieder. Stimmt ja auch in der Regel. Und wer eben nicht "bestimmt" werden will (heteronom sich gängeln lassen möchte), der muß zuvorderst dafür sorgen, daß er eben nicht in diese Alimentationsabhängigkeit gerät. Die Finanzierbarkeit der griechischen Umtriebe ist genau genommen längst an Grenzen gestoßen. Aber einige Unverbesserliche meinen Schirme immer weiter aufspannen zu müssen. Es sind ja schließlich nicht ihre eigenen Gelder (denn jene Damen und Herren habe gewiß ihre Schäfchen längst im Trockenen, denke ich mal ...), sondern die der Steuerzahler.
Also lassen wir die Griechen endlich Griechen sein, lassen Griechenland eben Griechenland sein, lassen wir uns nicht auch noch beschimpfen während wir Wohltaten ausüben, trennen wir uns endlich von der Idee, der Euro wäre die notwendige Bedingung zu Frieden, Handel und einem gütlichen Miteinander in Europa. Er ist dafür weder notwendig, schon gar nicht hinreichend. Wie man unschwer aus den Fakten lesen kann. (Beispiel: Schweden, Schweiz -- die beide keinen "Euro" haben, gleichwohl wirtschaftlich sehr gesund sind, Frieden und Anerkennung genießen, und, und, und ...) Griechenland soll nun endlich den Weg gehen, der ihm gemäß zu sein scheint und den die Leute dort, so wie ihr Verhalten es zumindest nahelegt, auch wirklich wollen und vor allem anscheinend nur so können; hierzu gehört auch, daß der Teil der (sicherlich unter den gegenwärtigen Bedingungen sehr leidenden) griechischen Bevölkerung, auf dessen Kosten sich eine zahlenmäßig nicht gerade klein anzusehende Kaste es sich wohl ergehen läßt, dafür sorgt, daß sie diesen Art Augias-Stall einmal kräftig ausmistet und so wieder zu ihrem gerechten Anteil am und im Land kommen kann ...
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2 Anständigkeit, Sitte, Moral, Ethik – andere Maßstäbe an Führungspersonen?
Eine vorweggenommene, kurze Antwort: JA !!!
Ich versuche mich, diesem Aspekt am Beispiel des nun (die allermeisten Bürger werden es begrüßen!) Ex-Bundespräsidenten Wulff zu nähern. Daß diese Person in diesem Amt mittlerweile Vergangenheit ist (auch wenn die Diskussionen über sein Wirken dort hoffentlich noch anhalten mögen!), zeigt auch, daß in unserem Land noch lange nicht alles möglich ist (wenn auch, wie ich glaube, immer noch "viel zu viel"...); aber exemplarisch ist es durchaus sinnvoll, die Genese seines Wirkens im Amt sich immer wieder vor Augen (und vor allem: im Geiste) zu halten. Wir wollen schließlich ja aus Fehlern und Ungereimtheiten lernen, dabei bei diesem kritischen Blick durchaus auch zu verstehen versuchen, was bei aller Unzulänglichkeit vielleicht auch an Gutem aus jeweiligen Vorgängen und Erscheinungen zu ziehen ist. In diesem Sinne: Viel Interesse beim Umgang mit der Materie. (Die Abhandlung ist natürlich aus damaliger Gegenwart geschrieben und bleibt trotz Amtswechsel hier unverändert im Erscheinungsbild.) Und vor allem: Erkenntnisse für Zukünftiges!
Beispiel: Christian Wulff, derzeitiger Bundespräsident
Der Gleichheitsgrundsatz sollte für alle im Lande gelten. Richtig. Dabei ist jedoch zu sehen, daß eben jener Gleichheitsgrundsatz nur dann erfüllt wird, wenn wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandelt wird.
Wer in hohe Ämter drängt, wer Verantwortung übernehmen möchte und glaubt, dies auch zu können, muß unter anderen Qualitäten vor allem auch eine Vorbildwirkung entfalten (können und wollen)!
Nun wird Christian Wulff kritisiert, weil er “nur” formaljuristisch richtig gehandelt hat, als er eben jene Frage nach seinen Geschäftsbeziehungen zu Herrn Geerkens genau dem Wortlaut entsprechend behandelte.
Konnte ihm nicht klar sein, was diese Frage der Parlamentsabgeordneten eigentlich bezweckte?! So wie er gehandelt hat, wirkt er zumindest wie ein kleines Kind, dem man Vorhaltungen macht und dem dann so nach und nach die Einzelheiten aus der Nase ziehen muß, anstatt daß es den gesamten Sachverhalt auf eine Initialfrage hin unverzüglich ausbreitet ...
Der Württemberger würde wohl sagen, daß dies schon so ein “Geschmäckle” hat, man konnte es auch häufig in der Auseinandersetzung um Wulff hören. Dabei ist es in diesem Fall meines Erachtens völlig unangebracht mit einer Art Diminutiv zu operieren – diese Art des Umfangs mit legitim vorgebrachten Anhörungsfragen verdient die volle Kritik, auch in einer entsprechend deutlichen Sprache.
Da läßt sich jemand in den Urlaub einladen, nimmt Flugvorteile in Anspruch, nimmt einen Kredit der Ehefrau und erwähnt dies nicht, so als ob es beziehungsmäßig riesige Unterschiede zwischen einem Ehemann Geerkens und seiner Ehefrau Geerkens gäbe, schweigt öffentlich zu den Vorwürfen wohl viel zu lange und handelt erst dann, nachdem sehr viele Stellen ihre Kritik verdeutlichten, unter anderem die Bundeskanzlerin, die dezent Hinweise gegeben hatte, was wohl an Erklärung von Herrn Wulff zu erwarten wäre.
Jener Herr Bundespräsident mußte und konnte während seiner Schweigeperiode auch noch in sonst ihm recht wohlgesonnenen Zeitungen wenig Schmeichelhaftes lesen. So schrieb Frank Schirrmacher in der FAZ: “Innerhalb von 24 Stunden ist dem amtierenden Bundespräsidenten eine ganze moralische Kategorienwelt abhanden gekommen. Wie will er, der bislang wenig zur Krise zu sagen hatte, jetzt eigentlich überhaupt noch etwas sagen?” In der ZEIT wird unter dem Titel “Kredit verspielt” deutlich über seinen Rücktritt für den Fall, daß noch mehr ans Licht käme, gesprochen. Und ganz eindeutig formuliert die Berliner Zeitung: “Wir brauchen einen neuen Bundespräsidenten.”
Auch in der breiten Öffentlichkeit geriet die Geschichte um den Kredit, den die befreundete Unternehmersgattin ihm für 4% Zinsen gewährt hatte, zu einem allgemeinen Ärgernis.
Warum kann/konnte jener Herr Wulff nicht unverzüglich nach Bekanntwerden der Kreditangelegenheit reagieren? Warum verstreicht so viel Zeit bis zu seiner Erklärung? Weshalb hat er nicht von Anfang an die selbstauferlegte Bindung an die wortgenaue Frage der Parlamentsabgeordneten und einer ebensolchen Antwort seinerseits unterlassen?
Statt dessen erfolgte erst nach breiter öffentlicher Schelte und mehr oder weniger indirekter Aufforderung aus Politik, Mediengesellschaft und anderer Öffentlichkeit seine Stellungnahme: “Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. ICH BEDAUERE DAS. Es wäre besser gewesen, wenn ich auf die Anfrage der niedersächsischen Abgeordneten im Landtag über die konkreten Fragen hinaus auch diesen privaten Vertrag mit Frau Geerkens erwähnt hätte, denn in der Sache hatte und habe ich nichts zu verbergen.”
Entschuldigt hat er sich mit diesem Wortlaut nicht. Er spricht stets von Integrität Verantwortungsbewußtsein. Fehlt ihm – immerhin ist er Politiker und Mitverwalter des öffentlichen Interesses oder sollte das zumindest auch sein! – das richtige Gespür beim Umgang mit finanziell Mächtigen? Man denke auch an seine Kontakte zu dem sehr in die Kritik geratenen Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer (Stichworte: AWD, Swiss Life, Maschmeyer-Rürup AG!).
Selbst mit Brötchen scheint es Wulff gelungen zu sein, zumindest in einen kleinen Fettnapf getreten zu sein: Hannoveraner Brötchen direkt ins Bundespräsidialamt, sozusagen ein Stück magenbezogener Nähe zur Heimat – war das wirklich so notwendig (gibt es keine guten Bäckereien in Berlin?!)? Geschickt und schicklich war es jedenfalls nicht, wie das öffentliche Nachspiel zu jener Geschichte zeigte.
Ich habe den Eindruck, Christian Wulff fehlt wirklich so manches Gespür, welches Verhalten in manchen Dingen angemessen ist. Damit meine ich auf gar keinen Fall Aspekte der Opportunität, ganz im Gegenteil. Distanz zu so manchem Opportunismus ist gefragt, wenn man hohe Positionen bekleidet!
Diese Formulierung des (zu späten!) Bedauerns erschien auf dem Briefpapier des Bundespräsidialamtes! Durch diese Art der Darstellung erhält die Erklärung einen amtlichen Charakter; hätte Christian Wulff unter dem Briefkopf “Der Bundespräsident” gehandelt, dann könnte man viel eher von einem persönlichen Bezug sprechen. Wer diesen Aspekt als Kleinlichkeit sieht, übersieht, daß gerade hochstehende Personen mit diesen sogenannten Kleinlichkeiten recht gut operieren zu können scheinen. Die eng gefasste Antwort auf die an Wulff gerichtete Parlamentsanfrage zeugt als ein Beispiel hierfür!
Ist nun nach Wulffs Erklärung alles “wieder in Butter”? Ich meine und hoffe: Nein.
Daß einige Politiker sich nun dennoch zufrieden geben und bescheiden äußern, dürfte nicht groß verwundern. Hier gilt es zwischen den Zeilen zu lesen und den jeweiligen ideologischen Hintergrund mit zu denken, vor allem aber auch eventuelle Versuche, durch Kommentieren das Eigenbild zu verbessern (in Hinblick auf zukünftiges Wählerverhalten beispielsweise!), sich als weltoffen, tolerant, großzügig etc. zu zeigen. Immerhin hat Christian Wulff das höchste Staatsamt inne, und da ist es auch angemessen, dieses Amt “nicht zu beschädigen” (eine ebenfalls in dieser Auseinandersetzung um Wulff gehörte Formel!). Die Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt sich nun (zumindest äußerlich so wahrnehmbar) zufrieden: “Ich glaube, daß das eine wichtige Erklärung war” und er habe zur Klarheit beigetragen. So ganz nach Friede-Freude-Eierkuchen klingt das in meinen Ohren nicht gerade, was für die Kanzlerin spräche!
Und der Fraktionsgeschäftsführer der SPD Thomas Oppermann scheint Christian Wulff ein Eingestehen von Fehlern als gepflegte Praxis zuzugestehen: “Es verdient Respekt, daß Christian Wulff seine Fehler eingesteht.”
Mir persönlich ist das, was in dieser Sichtweise Oppermanns zum Ausdruck kommt, allerdings zu wenig. Ähnlich konziliant hat sich bekanntlich ja auch Jürgen Trittin geschickt geäußert. Nein, wenn sich Fehler häufen, dann ist nicht die Einsichtsfähigkeit (sicherlich eine Tugend, so diese Einsichtsfähigkeit denn grundlegend ist!) zumindest dann zu wenig, wenn man eine verantwortungsvolle Position anstrebt oder innehat. Der Schritt zu mangelnder Kompetenz ist nämlich dann nicht sehr groß ...
Daß CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der ja in seiner Erscheinung wirklich nicht wie das besonders kritische Element einer Avantgarde für Zukunftsfragen wirkt, hier neben seinem ausgedrückten Verständnis, Verzeihen auch noch gleich wieder auf den politischen Konkurrenten einhauen muß, hat mich schon gar nicht verwundert: “Mit der Erklärung des Bundespräsidenten ist alles gesagt. Die Opposition muß nun schleunigst aufhören mit ihrer Parteipolitik zu Lasten des höchsten Staatsamtes.”
Ja, Herr Gröhe, es mag ihnen ja vielleicht (nun) nicht (mehr) gefallen, daß im niedersächsischen Landtag nun die SPD Aufklärung über Wulffs Urlaubsreisen als Ministerpräsident (in den Jahren 2003 bis 2010) verlangt, daß Die Grünen weiterhin klären wollen, ob Wulff mit jener Annahme des Privatkredits gegen das Ministergesetz verstoßen hat. Aber so ist das nun einmal in einer Demokratie (und: Gott sei Dank!), daß unter anderen vor allem auch Politiker und Medien für Aufklärung zu sorgen haben. Und wenn sie das tun, wird eben kein Amt beschädigt.
Nein, Herr Gröhe und alle die sich nun (selbst-)zufrieden zurücklehnen wollen: Das Amt hat immer nur die Qualität und den Wert, den jeweilige Amtinhaber just diesem Amt zu geben vermögen. Und wenn vielfach schon von einer Beschädigung des Amtes gesprochen wird, dann sei die Frage erlaubt, ob nicht das Geschachere im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl bereits sehr zur Beschädigung dieses Amtes beigetragen hat!
Und wenn jemand in einem Amt Fehler macht, wenn Personen auf dem Weg zu einem angestrebten Amt nicht die angemessene Klarheit zu schaffen verstehen, dann sollte man nicht diejenigen tadeln, die genau diese Vorgehensweise kritisieren. Mit dem Finger sollte stets auf diejenigen gezeigt werden, die Fehler begehen, und nicht auf jene, die auf Ungereimtheiten, Unschicklichkeiten, Fehler hinweisen.
Beschädigen kann sich kein Amt selbst. Beschädigen kann man durch eigenes Verhalten nur sich selbst als Amtsinhaber.
Wir kennen diesen Zusammenhang von zahlreichen Vorfällen. Christian Wulff mag ein Beispiel dafür sein. Ein weiteres ist dieser von Anfang an vielerseits maßlos überschätzte Karl Theodor von und zu Guttenberg. (Zugegeben: er konnte sich selbst mit medialer Unterstützung recht gut inszenieren – zumindest für jene, die nicht hinter den Schein sehen konnten oder wollten ...)
All jenen sei in Erinnerung gerufen (der zumindest mit eineinhalb Beinen ins angelsächsische Ausland verzogene Adelige und zukünftige Internetexperte wird es kennen ...): The bigger the top, the bigger the drop. Und wer mit hohen oder gar den höchsten moralischen Maßstäben operiert oder zu operieren vorgibt, der darf sich nicht wundern, genau an diesen dann gemessen zu werden ...
Daß Christian Wulff kaum Charisma hat, meines Erachtens mit keinem seiner Vorgänger in einem positiven Sinn heranreichen kann (selbst nicht mit Lübke, zumindest bis zu dessen Krankheitsentwicklung einer Zerebralsklerose), ist für mich offensichtlich. Auch seine Reden sind qualitativ weit entfernt von z.B. eines Theodor Heuß, auch von denen seiner Nachfolger. Und wer seinen Satz “Der Islam gehört auch zu Deutschland.” als besonders sensationell und revolutionär empfindet, der sollte sich einmal fragen, ob es sich hier nicht vielmehr um eine allzu undifferenziert vorgetragene Meinung handelt(e), die gerade durch ihre Vieldeutigkeit hinsichtlich Interpretationsmöglichkeiten und geringen Geschichtsverankerung auch in Hinblick auf ernsthafte Integrationsbemühungen bestenfalls nur sehr wenig hilfreich gewesen ist.
Rechtlich ist bzw. scheint natürlich alles in Ordnung. Wulff hat nur auf das geantwortet, was er gefragt worden ist, hat weiteren Kontext ausgeblendet; Wulff hat ein Darlehen aufgenommen, was grundsätzlich auch dann nicht zu beanstanden ist, wenn es privat vermittelt wurde; Wulff ist legitimer Bundespräsident; Wulff präsidiert; Wulff äußert sich zu dies und jenem, eigentlich zu allem, was eben gerade so anzuliegen scheint; er wirkt jovial; er versteht sich auch zumindest in Ansätzen auf eine Eigeninszenierung; er wirkt auf viele Menschen sicherlich “wie einer von uns” (während ich dies schreibe, fällt mir Schröders “Gib mir mal ne Flasche Bier”, das ich als populistisch, salopp und anbiedernd empfunden hatte, gleichwohl eben: gut inszeniert, die Zielgruppe gut erfassend ...), und, und, und ...
Aber ist er wirklich ein guter Bundespräsident im Gefolge seiner Vorgänger? Da habe ich erhebliche Zweifel. Für mich hat er keine Konturen, windet sich zu sehr, bleibt allzu in seinen Äußerungen an der Oberfläche, wirkt auf mich “zu beliebig”, konturenlos, und ist ganz gewiß – auch wenn er diesen Anschein zuallermeist nicht zu erwecken vermag – eine Idee zu sehr Machtmensch. Und so gänzlich unabhängig wirkt er auf mich bestimmt nicht.
Übrigens gehört zu der von mir angesprochenen und gedachten Unabhängkeit auch eine weitgehende innere Freiheit vom Hang zur Selbstinszenierung. Wobei es bei einem repräsentativen Amt sicherlich oft schwer ist, zu unterscheiden, was Eigeninszenierung, was notwendige Repräsentationsaufgaben ist – die Grenze hier dürfte sehr fließend und demzufolge schwer aufzudecken sein.
Summa summarum stimme ich der Forderung der Berliner Zeitung zu: Wir brauchen einen anderen Bundespräsidenten. Aber nicht nur wegen der Darlehen-Geschichte.
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Leider scheint die Sachlage nun doch nicht ganz so eindeutig zu sein, wie sich nach Abschluß meiner Ausführungen ergibt: So meldet web.de, 16.12.2011, 16:05 Uhr, sich auf Der Spiegel berufend, daß die Kreditabwicklung überwiegend von Herrn Geerkens einvernehmlich mit Herrn Wulff erfolgt sein soll. Nach der Meldung soll es Zweifel an der Richtigkeit von Wulffs (bislang geäußerten) Angaben zur Kreditvergabe geben: De facto soll das Geld von Herrn Geerkens, also nicht, wie von Christian Wulff ausgesagt von dessen Ehefrau, gekommen sein. Herr Geerkens habe selbst mit Herrn Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, verhandelt “wie das Geschäft abgewickelt werden könnte” (Der Spiegel, zit. nach web.de). Er habe eine Vollmacht über das Konto seiner Frau, über das der Kredit gezahlt worden sei. Das Geld sei über einen anonymen Bankscheck an Wulff übermittelt worden, unter anderem weil Herr Geerkens nicht wollte “dass irgendein Bank-Azubi sieht, dass so viel Geld von mir an Wulff fließt.” (ebd.)
Wir erinnern uns: Christian Wulff hatte erklärt, daß das Geld ausschließlich von Geerkens Frau stammte und er nach wir vor nichts zu verbergen habe. Wie auch immer, seltsam ist diese scheibchenweise an die Öffentlichkeit dringende Genese des Geldgeschäftes schon und sollte sich diese Aussage von Herrn Geerkens bewahrheiten, dann wäre es sicherlich moralisch und ethisch geboten, daß Herr Wulff als Bundespräsident zurücktritt. Wie man das macht, hat sein Vorgänger kurz und bündig gezeigt und vorgemacht – allerdings vor einem meines Erachtens gänzlich anderen Hintergrund ohne Problem mit Integrität etc., wie er sich nun ja zu erhellen scheint ...
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Nochmals: Ist die Glaubwürdigkeit nur vertretbar gering beschädigt?
Ich denke, die Beschädigung ist erheblich, so stark, daß Wulff meines Erachtens wirklich zurücktreten sollte.
Ist denn der Weg, die Klarstellung überwiegend Anwälten und schriftlichen Verlautbarungen mit amtlichen Charakter zu übertragen der richtige? Natürlich nicht! Einerseits wird so der Eindruck erweckt bzw. verstärkt, man stelle sich nicht persönlich seiner persönlichen Verantwortung, andererseits kann man starke Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem Fehler, den Fehlern aus eigener Vergangenheit und Verantwortung als Handlungsprämisse unterstellen – dort wo eigentlich die persönliche Beziehung zum Selbstverantworteten im Vordergrund stehen müßte.
Auch wenn Wulff sinngemäß äußert, er habe kein Problem mit dem Geschehenen und könne das, was er getan hat, gut verantworten, er selbst habe sozusagen ein reines Gewissen, und das wäre es, was eigentlich zählt, dann zeigt er mit dieser Haltung doch eine Art Abgehobenheit, die einer Person in hohem Amte eben nicht gut ansteht. Vielmehr müßte er sehr wohl in den Vordergrund stellen, inwieweit derartige Verhaltensweisen bei denen “ankommen”, die er zu vertreten vorgibt, für die er grundsätzlich Vorbild zu sein hat. Die Devise “Solange ich damit kein Problem habe, braucht auch niemand anderer ein Problem damit zu haben” greift jedenfalls viel zu kurz!
Von einsichtigem Verhalten ist Wulff derzeit (20. Dezember 2011) meines Erachtens sehr weit entfernt. Von klugem ebenfalls. Sicherlich auch von beispielgebenden, so daß sich mir die Frage aufdrängt, was er wohl an moralischen Vorgaben in seiner wohl wieder zu erwarteten Ansprache an das Volk zu Weihnachten und zum Jahreswechsel von sich geben wird. Jedenfalls dürfte er ein allzu großes Vertrauensdefizit nach seinen Verhaltensweisen aufgehäuft haben, so daß es vielleicht sogar klüger sein dürfte, auf mahnende oder gar belehrende Ausführungen zu verzichten.
Jedenfalls zeigen neuere Veröffentlichungen wie beispielsweise diverse Reisen und die Bewerbung seines Buches (dies vorgeblich ohne sein eigenes Wissen) durch Herrn Maschmeyer, daß Wulffs Beziehungen zu einflußreichen und gut begüterten Personen bislang nicht hinreichend und für die Öffentlichkeit zufriedenstellend geklärt sind. Hier sollte er endlich für eine Klarheit sorgen, die auch Klarheit für alle und nicht nur für ihn selbst und diejenigen, die ihn gewählt haben oder aber aus politischer Opportunität sich derzeit mit ihrer Kritik (noch) sehr zurückhalten. Ob jedoch die Sinnhaftigkeit des englischen Spruches “better late than never” in letzter Konsequenz dazu führen würde, vollkommene Glaubwürdigkeit wieder herzustellen scheint mir mehr als fraglich. Hier gilt wohl Plutarchs “semper aliquid haeret” (etwas bleibt immer hängen). Wer mir nun vorwerfen möchte, daß ich diesen Halbsatz aus seinem ursprünglichen Zusammenhang gerissen hätte, dem stimme ich unumwunden zu, aber das vorangehende “audacter calumniare(...)”, also dieses: verleumde nur dreist, paßt im vorliegenden Kontext überhaupt nicht, denn weder wurde Wulff verleumdet noch haben die Aufklärer zu verantworten, daß Wulffs Glaubwürdigkeit beschädigt worden ist; das hat er schon selbst bewerkstelligt.
Nach den mir und der Öffentlichkeit bislang vorliegenden Fakten, teile ich die Ansicht – eben aus Respekt vor dem hohen Amt – von Dr. Erwin Lotter (Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Augsburg-Land): “Statt mit präsidialem Glaubwürdigkeitskredit den Menschen in turbulenter Zeit Orientierung zu geben, ist der Bundespräsident gefangen im spitzfindigen Formulierungskampf um seinen Hauskredit.(...) Der umgehende Rücktritt ist ein Gebot des Anstands und der Verantwortung.” (lt. dpa)
Ich zitiere Herrn Lotter, der sich nach eigenen Worten von “Wulff getäuscht” sieht, ihn jedesmal in den drei Wahlgängen gewählt hat, ihn nicht gewählt hätte, wenn diese Vorfälle ihm bekannt gewesen wären, Wulff diese Sichtweise übrigens auch schriftlich mitgeteilt hat, weil ich seine Ansicht als stellvertretend für einen erheblichen Anteil der Bevölkerung halte, sozusagen als pars pro (eingeschränktem) toto, vor allem aber auch, weil sie erhellend ist und ich sie ausdrücklich teilen kann.
Deshalb nochmals Erwin Lotter: “Ich habe ihm am vergangenen Donnerstag einen Brief und eine E-Mail zukommen lassen. Ich teilte ihm mit, dass ich mich von ihm getäuscht fühle und enttäuscht bin. Die Nachrichtenlage ist inzwischen so, dass sich meine Enttäuschung verstärkt hat. Es geht mir nicht um juristische Feinheiten, es geht mir um seine Glaubwürdigkeit. Die sehe ich nicht mehr gegeben, nachdem die Wahrheit scheibchenweise ans Licht kommt und er sich in Erklärungen verstrickt, die sich nicht auflösen.” (Augsburger Allgemeine, online, 18. Dezember 2011 16:17 Uhr)
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Nochmals: der Privatkredit.
Grundsätzlich teile ich allerdings schon die Ansicht, wonach es sinnvoll ist, sich privat einen Kredit geben zu lassen, allein schon um die häufig exorbitanten Kosten der Banken zu umgehen. Geholfen ist damit beiden Seiten, dem Kreditgeber als auch dem Kreditnehmer.
Der Kreditgeber erhält selbst bei geringem Kreditzinssatz häufig unter dem Strich mehr als ihm Banken für die Geldanlage zahlen würden, der Kreditnehmer spart sich diverse Kosten und hat auch noch weniger Kreditzinsen zu zahlen. Problematisch wird eine derartige Verbindung nur dann, wenn die Gefahr, die Möglichkeit von Verquickungen privater Bindungen mit öffentlichen Belangen besteht. Hier reicht allein schon, wie betont, die Möglichkeit aus. Dieses Problem kann jemand, der ein öffentliches Amt oder sonstige hohe Position in der Öffentlichkeit ausfüllt, kaum ausräumen. Gerade deshalb sollte man, wie weiß die Weste auch immer bei einer solchen Geldannahme sein mag, eine derartige “freundschaftliche Dienstleistung” möglichst nicht beanspruchen oder entsprechend öffentlich, als vollkommen transparent machen.
Schauen wir uns einmal die Geldmarktsituation im Herbst 2008, als Wulff das Geld beanspruchte, etwas näher an.
Die Bedingungen für Bauherren waren damals deshalb nicht allzu günstig, weil nach der Lehmann Brothers Pleite seitens Kreditgeber verstärkt auf Sicherheit geachtet wurde und die Guthabenzinsen im Keller lagen. Laut Bundesbank betrug seinerzeit der durchschnittliche Kreditzins bei bis zu fünfjähriger Laufzeit runde 5,5%. Allerdings hätte es einen derart hohen Kredit höchstwahrscheinlich nur mit erheblicher dinglicher Sicherung gegeben, etwa durch Grundbucheintrag.
Auffallend scheint mir, daß Wulff (damals frisch geschieden, also wahrscheinlich mit finanziellen Folgekosten dadurch belastet) 500 000 Euro Kredit beanspruchte obgleich das Objekt “nur” runde 420 000 Euro kostete. Im Regelfall ist es doch so, daß ein Hauskäufer einen günstigen Kredit nur vor dem Hintergrund eines vorhandenen Eigenkapitals erhält. Ist ein derartiges Eigenkapitalpolster nicht vorhanden, dann gibt es Risikozuschläge, so daß sich der damals ausgewiesene Durchschnittszins auf gewiß 6 bis 7 Prozent erhöht hätte. Durch die private Kreditnahme hätte dies zu einer Ersparnis von etwa 50 000 bis 65 000 Euro geführt, eine Ersparnis im fünfstelligen Bereich gegenüber den 4% des Privatkredits.
(Diese Ersparnis wurde jedoch faktisch deshalb nicht erzielt, weil Wulff nach der damaligen Parlamentsanfrage unverzüglich im Februar 2010 den Privatkredit durch einen Bankkredit bei der BW-Bank abgelöst hatte. WARUM DIES EIGENTLICH, WENN DOCH ALLES SO GANZ IN ORDNUNG GEWESEN SEIN SOLLTE???!!!)
Bei diesem Privatkredit wurde nach derzeit öffentlichem Kenntnisstand auch auf den ansonsten üblichen Tilgungsanteil, Zweckbindung (bei ausschließlich für Wohnbauzwecke verwendeten Geld ist der Zinssatz in der Regel günstiger!) sowie irgendwelche kostenpflichtige Sondertilgungvereinbarungen seitens Kreditgeber verzichtet – also weitere geldwerte Vorteile.
Daß sicherlich quer durch die Parteien Wulffs Verhalten unterschiedlich bewertet wird, soll durch die Wiedergabe von Jürgen Koppelins, wie auch Lotter MdB, FDP) Ansicht gezeigt werden, freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Er meinte entgegen seinem Parteikollegen, daß Wulff eben nichts Entscheidendes vorzuwerfen wäre, denn entscheidend sei doch, ob Wulffs Geldgeber durch die Kreditvergabe Vorteile erlangt hätten und dies sei nicht der Fall. (Interview im Tagesspiegel), zumindest derzeit nicht zu erkennen. Zudem sollte gesehen werden, daß Wulff den Osnabrücker Unternehmer Geerkens seit frühester Jugend kenne und es sich somit “nicht um irgendeinen Wirtschaftsunternehmer” handele. Dann erinnerte in diesem Zusammenhang Koppelin an Johannes Rau und der heftigen Kritik wegen dessen früheren Verbindungen zur WestLB, der dann “am Ende” doch auch “kein schlechter Präsident” gewesen sei.
Wenn Koppelin schon Rau sozusagen als eine Art Musterbeispiel mit positivem Ausgang und als eine Art Entlastungszeuge für die Affäre Wulff (und eine Affäre ist es doch auf die eine oder andere Weise, möchte ich meinen) erwähnt, dann sollten wir uns auch erinnern, daß es gerade der damalige CDU-Vize Christian Wulff war, der sich zu einem der schärfsten Kritiker des Bundespräsidenten Rau hochstilisierte: “Es ist tragisch, dass Deutschland in dieser schwierigen Zeit keinen unbefangenen Bundespräsdidenten hat ,der seine Stimme mit Autorität erheben kann. Es handelt sich in NRW offensichtlich um eine Verfilzung mit schwarzen Reisekassen jenseits der parlamentarischen Kontrolle. Dies stellt eine Belastung des Amtes und für Johannes Rau dar.”
(vgl.: http://www.derwesten.de/politik/als-wulff-den-ruecktritt-des-bundespraesidenten-forderte-id6162321.html)
Und dem Focus verriet Wulff Anfang 2000 in Hinblick auf den Bundespräsidenten Rau und dessen aus Wulffs Sicht gegebenen Beschädigung des Amtes: “Ich leide physisch darunter, dass wir keinen unbefangenen Bundespräsidenten haben.”
(Wir erinnern uns, Rau hatte damals zunächst auch jede Verwicklung in die Angelegenheit bestritten und erst, als es durch Veröffentlichungen nicht mehr zu verbergen war, den Fehler eingestanden ...)
Gesteht Wulff eine derartige, berechtigte, manifeste Leidensfähigkeit auch seinen jetzigen Kritikern zu? Man sollte ihn einmal diesbezüglich befragen. Und auch die Antwort auf die Frage, wie stark seine Leiden damals waren, wie er sie zu behandeln pflegte, wäre durchaus interessant, weil wohl sehr erhellend ...
Wer derart hart mit anderen ins Gericht geht, der sollte dieses Procedere auch anderen zugestehen. Es ist eben bislang noch lange nicht so, wie Patrick Döring (FDP) empfindet, daß Wulff “umfassend Auskunft” gegeben habe und selbsterklärend dürfte es sein, wenn der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, einen “schonenden Umgang mit dem Präsidenten” anmahnt. Da wo grundlegende Kritik notwendig ist, da ist eben jener schonende Umgang fehl am Platze, nicht geboten!
Genügt die Veröffentlichung einer sogenannten Urlaubsliste, die Aufenthalte bei befreundeten Unternehmern ausweist, bereits der Forderung nach einer “umfassenden Auskunft” (s.o., Herrn Döring)? Doch wohl nur sehr bedingt.
Sicherlich ist es für die Öffentlichkeit interessant, zu erfahren, daß laut Wulffs Anwalt Gernot Lehr aus Bonn hier auf entsprechende Medienanfragen reagiert wird. “Diese Tranzsparenz schließt an die Offenlegung der Details zu einem Privatkredit für den Erwerb seines Eigenheims in Burgwedel an.” (Lehr) Zumindest werden Sachverhalte relativiert, also etwaige Versuche von Übertreibungen und einseitigen Darstellungen in ein objektiveres Licht gerückt. So habe Wulff während seiner Amtszeit als Ministerpräsident “seine Urlaube in der Regel in Hotels und Ferienanlagen gebucht. Gelegentlich hat er seine Ferien abgeschieden von der Öffentlichkeit bei befreundeten Familien verbracht. Diese Urlaubsaufenthalte, die überwiegend gemeinsam mit den jeweiligen langjährigen Freunden stattfanden, hatten keinen Bezug zu seinen öffentlichen Ämtern. Dieses Verhalten steht uneingeschränkt in Einklang mit den Regelungen des niedersächsischen Ministergesetzes.” (Mitteilung des Anwalts)
Hier sollte man wirklich die Kirche im Dorfe lassen. Wer in exponiert in der Öffentlichkeit steht, sollte sehr wohl Abgeschiedenheit suchen dürfen (allein schon um wieder Kraft und Ruhe für die Ausübung des Amtes zu sammeln, also um wirklich regenerieren zu können!). Vor allem hat die Öffentlichkeit nicht das Recht, Abstinenz von oder einen großen Abstand zu freundschaftlichen Beziehungen zu fordern. Letztlich liefe eine derartige Forderung darauf hinaus, jegliche privaten Kontakte zu untersagen, nur weil jemand “Person der Öffentlichkeit mit entsprechender Verantwortung” ist. Insofern sollte an Urlaubsaufenthalten bei Freunden, selbst oder gerade wenn sie nicht bezahlt werden (immerhin dürfte unter wirklichen Freunden eine derartige Bezahlung von Besuchen mehr als unüblich, schon gar nicht einer Freundschaft entsprechend sein!) seitens Öffentlichkeit nichts zu kritisieren sein.
Daß die Öffentlichkeit natürlich darüber “wacht”, mit wem jemand sich umgibt, ist ebenso klar. Allerdings sollten auch hier die Maßstäbe nicht zu eng und in der Bewertung nicht bis hin zu Geschmacklosigkeit verrückt werden. (So ist es auch zum Beispiel widerlich, wie manche Medien versuchen, Wulffs Eheleben, Scheidung, die Vergangenheit seiner jetzigen Ehefrau Bettina, also sein ureigenen persönlich-privaten Angelegenheit für ihre Sensationsgier zu funktionalisieren, in Teilaspekten nachzulesen beispielsweise bei: http://kopp-online.com/hintergruende/deutschland/udo-ulfkotte/die-akte-bettina-koerner-betty-die-frau-an-der-seite-des-bundespraesidenten.html).
Kurz: Wer auch immer will jemanden in öffentlicher Verantwortung das Recht auf Pflege von Freundschaft und Bekanntschaft streitig machen!? Deprivation kann doch nicht die Antwort auf eine berechtige Sorge um mögliche Verbandelung sein! Nein, mit einer normalen Offenheit (und dazu gehört auch das Dulden von einschlägiger Kontaktpflege, deren inhaltliche Ausprägung man tunlichst den jeweils Betroffenen überlassen muß!) sollten diese Aspekte klärbar sein.
Was soll denn anrüchig sein, wenn die Familie Wulff in den Jahren 2003 und 2004 jeweils einmal Gast der Familie Edith und Egon Geerkens in deren privaten Räumen in Spanien war? Was ist denn schlimm daran, wenn Wulff 2008 beim Ehepaar Baumgartl (Wolf-Dieter Baumgartl ist Aufsichtsratschef der Talanx-Versicherungsgruppe) in deren privaten Räumen in Italien den Urlaub verbracht hat. Wer will ihm mißgönnen oder gar untersagen, auf Norderney bei einem Inhaber eines Süßwarenspezialitätengeschäfts und anderer Strandläden (Ehepaar Angela Solaro und Volker Meyer) Urlaub zu machen, wie angeblich 2008 und 2009 geschehen? Und dann nochmals 2009/2010 als Gast bei Familie Geerkens, diesmal in Coral Springs, Florida. Ich finde das völlig in Ordnung. Soll jemand denn Bande abbrechen, unterbinden, weil er irgendwann in seinem Leben in eine andere, sprich: höhere, Position gerückt ist bzw. gerückt wurde? Das wäre wahrlich zu viel verlangt!
Selbst wenn Wulff von dem teilweise umstrittenen Herrn Machmeyer auf Mallorca gegen Bezahlung 2010 ein Appartement in dessen Ferienanlage gemietet hat, geht das grundsätzlich, immer unterstellt es verbergen sich nicht Interrollen- oder Intrarollenkonflikte dahinter, niemanden etwas an.
Es geht also “nur” darum, zu zeigen, daß eben die vorgenannten Konflikte nicht bestehen (können) – und das geht eben in der Regel recht gut, wenn Geheimniskrämerei vermieden wird, wenn man einer nur scheibchenweise an die Öffentlichkeit dringenden Aufklärung durch persönliche Offenheit, durch persönliches Bekennen, schlicht: durch rechtzeitige Aufklärung entgegenwirkt.
Nochmaliges Fazit: “Heilige” sollten und können die hochgestellten Personen nicht sein; eine derartige Erwartungshaltung seitens Öffentlicheit wäre heillos überzogen. Aber sie sollten die Kompetenz haben, die angestrebte Position jeweils angemessen auskleiden zu können, Und es sollten Wort und Tat zumindest weitestgehend in Einklang stehen. Auch sollte man vorderrangige Gründe (Wie sollte z.B. Frau Merkel, die für “ihren” Kandidaten Wulff gekämpft hat sich nun auch kritisch, gar für einen Rücktritt aussprechend, verhalten können ...?) für eine Bestallung tunlichst zugunsten rein sachlicher Aspekte und darauf bezogene Personalperformanzkapazität hintanstellen. Für das Präsidentenamt heißt das unter anderem: kein Parteiengeschachere welcher Art auch immer. Wer Wulff nicht mag (ich zähle mich zu diesem Personenkreis gerade nach dem Bemühen um eine differenzierte Betrachtungs- und Bewertungsweise!), mag so zumindest der Illusion nachhängen, er wäre uns unter derartigen Umständen erspart geblieben. Er scheint einfach mir nicht nur erst seit dieser Kreditgeschichte und den damit zusätzlich aufgetauchten Sachverhalten untauglich als Präsident (auch wenn ich mich mit dieser Ansicht zumindest gegen die derzeitige Mehrheitsmeinung stelle!), sondern aus meiner Sicht war er nie der “richtige” Kandidat für diesen Posten. Gut formuliert finde ich meine perspektivische Sichtweise in einem Zeitkommentar wieder:
(vgl.: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-12/wulff-kommentar)
“Der nette Herr Wulff
1. Der Bundespräsident nimmt es mit der Wahrheit und der Ferne zu Unternehmern nicht so genau. Zu halten wird er kaum sein – er sollte von sich aus gehen. Christian Wulff war einmal so etwas wie der nationale ideale Schwiegersohn: nett, anständig, langweilig.
2. Ein politischer Karrierist, der es ohne größere Skandale, aber auch ohne sonderliche Leistung von der Jungen Union über das Ministerpräsidentenamt in Niedersachsen bis ins höchste Staatsamt geschafft hat.”
(Mit dem Link unter 2. kann ein informatives Interview der ZEIT mit Herrn Wulff vor seinem Amtsantritt eingesehen werden.)
Damit möchte ich es nun bewendet sein lassen; die Zukunft wird ja zeigen, wie sich diese Angelegenheit um Herrn Wulff weiterhin entwickelt. Ich jedenfalls hoffe, daß dieses hohe Amt von einem anderen, m.E. qualifizierteren Kandidaten besetzt werden wird. Wie ich jedoch die politischen Rangeleien in unserem Land derzeit so erlebe, zweifle ich und fürchte, Herr Wulff wird uns als Bundespräsident erhalten bleiben. Und wer sich ein (sicherlich dann recht einseitiges) zusätzliches Bild machen möchte, kann ja das immer noch erhältliche Buch von Christian Wulff mit dem bezeichneten Titel "Besser die Wahrheit" im Buchhandel erstehen. So manchen wird das Cover, Herr Wulff mit verschränkten Armen und "gewinnendem" (oder Distanz oder gar Unsicherheit signalisierendem?) Blick (zu dieser Körperpräsentation befasse man sich einmal mit den interessanten Erkenntnissen aus "body language") nun unter gänzlich anderem Gesichtspunkt betrachten als früher geschehen, wohl auch das Buch nun "anders" lesen und verstehen. Übrigens erkläre ich hiermit, daß diese Werbung für das Buch mich keinen Cent gekostet hat und in jeglicher Hinsicht unverdächtig sein sollte. Nur ein schlichter Hinweis, ein Tip(p), nicht mehr, aber auch nicht weniger ...
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3 Kurze Gedanken zu Land und Kultur ...
Vielleicht einmal zwei Aussagen, die es wert sind,
gründlich über- und durchdacht zu werden:
Die erste Aussage:
Die zweite Aussage:
Es sind ja diese eher spielerisch anmutenden Interviews mit Prominenten bekannt, in denen jene zu ihrer allgemeinen und besonderen Befindlichkeit, aber auch zu hypothetischen Situation befragt werden.
Aus einem solchen Interview möchte ich einen Satz zitieren, den sich gerade Menschen, die in höhere Ämter streben, einmal kritisch vor Augen halten sollten. (Natürlich gilt im Grundsatz die im Satz erkennbare Einsicht für jeden, der auch nur irgendeine Position anstrebt -- es ist nämlich die Frage nach der wirklichen Kompetenz!)
Sandra Maischberger wurde in der bayerischen Elternzeitschrift "schule&wir", Ausgabe Nr. 3/2011, auf der hinteren Umschlagseite (Seite 20) in der Rubrik "Fragebogen" unter anderem Folgendes gefragt (und ihre gescheite, einsichtsvolle Antwort gleich dazu dann!):
Anmerkung: Leider gehen diese Einsicht und Klugheit den allermeisten Damen und Herren in den entsprechenden Ämtern zu mehr oder weniger großen Anteilen ab ...
Und dann immer wieder der von mir sehr geschätzte Henryk M. Broder:
"O nein, ich glaube nicht, dass die Leute idiotisch sind. Im Gegensatz zu Ihnen halte ich viel vom Stammtisch. Ich glaube, im Prinzip, dass am Stammtisch manchmal mehr Weisheit versammelt ist als in allen Leitungsgremien aller Parteien."
(aus: Henryk M. Broder / Hamed Abdel-Samad, Entweder Broder. Die Deutschland-Safari, München 2010, Knaus, S. 102, im Gespräch mit Norman Paech, Friedensexperte der Linkspartei)
...und weitere in diesen Zusammenhängen nützliche Überlegungen:
"Die Zahl der deutschen Kriegerdenkmäler zur Zahl der deutschen Heine-Denkmäler verhält sich hierzulande wie die Macht zum Geist."
Kurt Tucholsky
"Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen."
sowie:
“Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.”
Geoge Orwell (beide Aussagen aus: Nachwort zu Animal Farm)
![]() 4 Ein trauriges Ende ... (oder: haben da auch jene Verantwortung, welchen Senecas in "De clementia" geäußerte Gedanken sehr fremd sind?)
Ein Blick zurück ist häufig hilfreich, wenn man Fehler in der Gegenwart nicht wiederholen möchte. Das ist bekannt. Aber wird diese Einsicht auch immer beherzigt, wirksam umgesetzt? Wer das Niveau so vieler "Diskussionen" vor allem auch im politischen Bereich erlebt, der darf daran schon seine Zweifel haben. Blicken wir auf einen, wie ich meine, durchaus exemplarischen Fall ...
Der Abgeordnete Gerhard Riege, ein auch im Ausland anerkannter Rechtsprofessor, nach der Wende demokratisch zum Rektor der Friedrich-Schiller-Universität in Jena gewählt (später dann auf merkwürdige Weise wieder abgesetzt), der am 15. Februar 1992 Selbstmord verübte, in einem Abschiedsbrief: “Mir fehlt die Kraft zum Weiterkämpfen und zum Leben. Sie ist mir mit der neuen Freiheit (Anm. des Verfassers: Die Freiheit, die durch den Anschluß der DDR, manifest und gekennzeichnet wurde.) genommen worden. (...) Ich habe Angst vor dem Haß, der mir im Bundestag entgegenschlägt, aus Mündern und Augen und Haltungen von Leuten, die vielleicht nicht einmal ahnen, wie unmoralisch und erbarmungslos das System ist, dem sie sich verschrieben haben.” Meine Frage: Was hat man aus diesem schrecklichen Geschehen denn wirklich gelernt? Wie ist das Gesprächsklima denn heute, wenn es um politische Mitbewerber um die Macht, vielfach einfach dann schlicht: als Gegner, bisweilen als "Feind" verstanden, geht? Der Blick auf die gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen mag da Antworten geben ...
Für mich bleibt hier zudem die Frage, inwieweit in derartigen Zusammenhängen nicht auch viele jener mit Steinen werfen, die in ihrer jeweils sehr spezifischen Form eines Glashauses sitzen ...
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